Tour de France: Doping freigeben – oder über den Selbstbetrug einer ganzen Gesellschaft

von: | aktualisiert am: 13.07.2009

Doping: Vor einer Woche hat die Tour de France begonnen – und fast spannender als alles Sportliche ist die Frage, wann der erste Doping-Fall bekannt wird und wer davon betroffen ist. Das ist natürlich ein wenig ungerecht! Aber die Frage nach Doping schwebt wie ein Damokles-Schwert über allen und allem. Dabei weiß jeder, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, wann uns die nächste Doping-Nachricht erreicht.

Rückschlag um Rückschlag hat der Radsport – die Tour de France ist ja nur das größte und bekannteste Aushängeschild – in den letzten Jahren hinnehmen müssen. Fast jeder (deutsche) Radsportler, der sein Gesicht schon mal in die Kameras gehalten – und natürlich beteuert, dass er nichts mit Doping zu schaffen hat, er dieses unsportliche Mittel unbedingt verdamme – musste einige Zeit später gestehen, dass auch er der Versuchung, Dopingmittel zu nutzen, nicht widerstehen konnte. Einer scheint der letzte Aufrechte zu sein: Jens Voigt. Lieber Jens, enttäusche mich nicht! Andererseits würde ich nicht mehr vom Glauben abfallen, sollte auch er betroffen sein…

Wird es nicht langsam Zeit, Doping frei zu geben? Wozu dieses ewig währende Märtyrium für Sportler und Fans? Wozu werden Millionen Steuergelder ausgegeben? …denn der Sport finanziert sein Fiasko ja nicht selbst, sondern auf dem Rücken Allgemeinheit mit öffentlichen Geldern. Oder gibt es eine Dopingabgabe für Sportler, Sponsoren, Vereine? Oder für Medien, dass bei jedem Bericht – wie bei der Musik etwa (GEMA) – eine Abgabe geleistet werden muss?

Wir alle wollen sportliche Höchstleistungen sehen! Immer noch ein wenig schneller, höher, weiter, spannender. Bleiben die Höchstleistungen aus, bleiben auch die Zuschauer weg, die Sponsoren gehen und die Medien berichten über Anderes. Das ist so und das kann man auch nicht weg diskutieren.

Wo ist denn die Grenze zum Doping? Sie ist frei definiert! Natürlich kann man nur mit besten Trainingsbedingungen, bester medizinicher Betreuung, ausreichend Sponsorengeldern, modernsten Trainingsmitteln und -methoden und Sportgeräten auch sportliche Höchstleistungen bringen. Und nur in Sportarten, in denen die Technisierung noch nicht so weit fortgeschritten ist – oder die ohnehin nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen – und bei denen folglich auch nicht so viel Geld verdient werden kann – sind frei von Doping – oder es ist nur noch nicht bekannt.

Wann ist ein Mittel ein leistungssteigerndes, ein Doping-Mittel? Eigentlich doch immer – und dennoch gibt es erlaubte Mittel und nicht erlaubte! Wenn ein Sportler nach einer Verletzung schneller gesund wird, als normal – ist das Doping? Doch was ist normal? Früher gab es Sportverletzungen, die das Aus für einen Sportler bedeuteten. Heute gibt es medizinische und Operationsmethoden, die es erlauben, in den Sport zurück zu kehren, oft schon nach wenigen Tagen und Wochen. Ist es nicht schon Doping, wenn ich über die Kontakte und finanziellen Mittel verfüge, mich von den Ärzten behandeln zu lassen, die über dieses Wissen verfügen?

Oder ist es nicht schon Doping, wenn ein Sportler sich gesund und leistungsorientiert ernährt? Selbst dabei wird mit unterschiedlichem Maß gemessen. Nimmt ein Sportler das Medikament X, ist es erlaubt, wenn er an der Krankheit Y leidet. War er so dumm, sich das nicht vorher diagnostizieren zu lassen, ist es Doping. Warum eigentlich darf ein Tour de France – Teilnehmer ungestraft soundsoviel Kilo Nudeln am Tag essen – wissen wir doch alle, dass das nur einem Ziel dient, nämlich die Tortour am nächsten Tag durchzustehen, die zig-tausende Kalorien am Tag verbrennt. Ohne die Nudeln würde er nämlich am nächsten Berg „verhungern“ – nein, das nicht, aber er wäre langsamer. Genauso wie ohne Zucker-Gel und andere Kleinigkeiten, die er bei sich führt oder die ihm im Verlaufe des Tages gereicht werden – oder geholt werden von Radfahrern, die nur dafür mitfahren, dem „Kapitän“ genau diese Mittel vom Mannschaftswagen zu holen. Auch irgendwie Doping, oder?

Wir sollten keine Illusionen haben, Spitzensport geht nur mit leistungssteigernden Mitteln, ob man die nun Doping nennt – oder nicht! Es ist völlig oportun, schnellere Beläge auf Laufbahnen in Stadien zu verlegen, „Hasen“ in Läufen einzusetzen, die Tempo machen auf den ersten Teilstrecken, beim Marathon flache Strecken zu bevorzugen (nur dort sind Weltrekorde möglich), neue Schwimmanzüge zu tragen oder Klapp-Schlittschuhe anzuziehen. Fußballklubs kaufen die vielversprechendsten Spieler, geschickte Manager und Trainer stellen leistungsstarke Trainingsgruppen zusammen (Leistungszentren genannt). Die Liste wäre unendlich! Mit meinem Touring-Rad könnte ich keine Tour de France -Etappe gewinnen, egal, wie oft ich trainiere oder in welcher Höhe, welche Hebel mein Körperbau dank Geburt hat oder wieviel Pillen ich schlucke…

Und jede Aufregung über den nächsten Dopingfall ist nur Heuchelei – oder unüberlegte Aufgeregtheit von denen, die glauben, auch nur eine sportliche Spitzenleistung sei erbracht, ohne nicht alle Möglichkeiten ausgenutzt zu haben, eben jene Höchstleistung zu erbringen. Über Doping entscheidet nur eine Liste…

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