Anastasia Ferrer: Tanze Tango mit mir! Ein Gespräch

von: | aktualisiert am: 3.11.2013
Anastasia Ferrer

Anastasia Ferrer

Samstagnachmittag. Ich sitze im Café und warte auf Anastasia Ferrer. Eine schmale, kerzengerade Gestalt betritt den Raum, kommt zielsicher auf mich zu. Leger gekleidet (sie kommt gerade von ihren Proben), das schwarze Haar hoch aufgesteckt. Anastasia Ferrer ist international bekannte Tango-Tänzerin, Choreographin, Tangolehrerin… kurz: dem Tango verfallen.

Derzeit trainiert sie ein Tango-Paar für den Tango World Cup der TAF (der im Oktober in Graz statt fandt)… arbeitet an einer Tango-Tanztheater-Produktion, die am 12. November 2013 Premiere feiern wird, „Paris-Tango“ -siehe Artikel … leitet ganzjährig Kurse und Workshops… veranstaltet kleine, feine Tangoabende mit Showtanz… bietet Tango-Reisen an… geht auf Sponsorensuche…und trainiert selbst so gut wie täglich. Eine Allround-Künstlerin, wie sie im Buche steht.

Anastasia bestellt grünen Tee, beginnt zu erzählen. „Ich will meine Grenzen erweitern“, sagt sie, „an meine Grenzen kommen, sie überschreiten. An neue Grenzen stoßen.“ Das ließe sie „den Genuss der Unendlichkeit spüren“. Überhaupt fasziniere sie Erneuerung, Entwicklung, Weiterentwicklung – „das ist mein Motor“.

Woher kommt Anastasia Ferrer?

Aufgewachsen ist die Tango-Tänzerin in einer Familie, in der Musik, Kunst eine große, ja vorherrschende Rolle gespielt haben. Sie hat Ballett gelernt, von klein auf, und rhythmische Gymnastik, ebenso wie Klavier und Blockflöte und Cello. Schon als Kind hat sie an Wettbewerben teilgenommen. „Ursprünglich wollte ich ja immer zum Zirkus“, lacht sie, diese Lust am „in der Luft sein“, die „Lust auf Zirkus“ habe lange gehalten, sei auch heute noch sichtbar – „ich liebe Hebefiguren, auch im Tango“.

Geboren ist Anastasia Ferrer in Bremen (Norddeutschland), doch die Familie zieht bald um nach Köln, später nach Hamburg. „Ich bin als Kind schon viel gereist, war in ständiger Bewegung, immer neugierig, an vielem interessiert“. Sie macht die Aufnahmeprüfung für das russisch-akademisch-klassische Ballett-Internat Gsovsky in Schleswig-Holstein. „Damit war mein Leben vorprogrammiert“, meint sie heute. Es folgen drei Jahre Tanzstudium, nebenbei schließt sie die Schule ab, macht Abitur.

1985 beginnt sie in der „Königlichen Tanzakademie Brabant“ in Tilburg/Niederlanden das nächste Tanzfach-Studium. Das sie nach fünf Jahren mit Erfolg – und einem Tango-Solo abschließt. Sie hat Luigi Zola, einen der Gran Maestro des Tango Argentino kennengelernt. Er hatte den Tango in Buenos Aires studiert und gemeinsam mit anderen in den 90er Jahren in neuer Form nach Europa geholt.

Anastasia Ferrer und der Tango

Anastasia nimmt Unterricht bei ihm, wird schließlich seine Tanzpartnerin. „Ich hatte nach Abschluss meines Tanzstudiums zwar einige Angebote – aus den Niederlanden, Belgien, vom Fernsehen… aber nichts hat mich wirklich vom Hocker gehauen“.

Also fragt sie ihren Lehrer: „Kannst du dir vorstellen, mit mir Tango-Tanztheater zu machen?“ – und Luigi stimmt zu… der Beginn einer langjährigen, höchst erfolgreichen Zusammenarbeit. Sie trainieren zunächst in Maastricht, gehen dann gemeinsam nach Antwerpen, wo aus ihrer Tanzpartnerschaft auch eine Lebens- und Liebesbeziehung wird.

Wir hatten viele Auftritte in Belgien, haben oft auch nur auf der Straße getanzt, mit CD-Player und schon ging`s los“. Sie erinnert sich lachend: Einmal sei ein ganzer Bus mit einer argentinischen Fußballmannschaft vorbeigefahren. „Die haben sofort angehalten, alle 40 sind raus und haben Tango, Tango geschrien… und mich schon gepackt und rumgereicht, ich musste mit jedem tanzen“. Ihre Augen funkeln heute noch, wenn sie daran denkt.

Nach einer einjährigen Tournee in den Niederlanden ziehen Anastasia und Luigi 1993 nach Teneriffa. „Wir waren von Anfang an gut gebucht“. Es sind vor allem ihre Tango-Auftritte, für die sie gerne und oft engagiert werden. Bei vielen Veranstaltungen, auch bei Regierungsverhandlungen präsentieren sie immer wieder ihre umjubelten Tango-Shows.

Tango in Österreich

2001 werden die beiden schließlich nach Graz (Österreich) geholt – „weil wir Tango -Tanztheater auf internationalem Niveau zeigten, ganz anders als das, was man bisher hier gesehen hatte“. Sie werden wieder engagiert – für Workshops und einen Tango-Auftritt bei der Aids-Gala im Grazer Schauspielhaus. Luigi übersiedelt nach Graz, Anastasia folgt im Oktober 2002. Auch wenn die Liebesbeziehung damals zerbricht, die Tanzpartnerschaft bleibt bestehen. Und: „Wir waren gleich von Anfang an mit Kursen und Workshops versorgt“. Es folgen Vorstellungen im Orpheum, im Schauspielhaus, Next Liberty, in der Oper. „Es ging wirklich Schlag auf Schlag, eine Produktion folgte auf die nächste“.

Heute bietet die Tänzerin und Choreographin, die nach wie vor in Graz lebt, mit Luigi Zola ein breitgefächertes Tango argentino –Tanzangebot an. Neben eigenen Fachtanzkursen „Tanzexpression“ für Tanztheater, das sowohl für professionelle Tänzer wie auch Amateure offen steht.

Paris-Tango

Szenenwechsel. Wir befinden uns im alten Festsaal des ehemaligen Palais Dietrichstein in der Grazer Innenstadt. Der 120 m² große Saal mit einer Höhe von fünf Metern und ausladendem Tonnengewölbe beeindruckt durch Deckengemälde und reiche Stuck-Dekoration. Anastasia Ferrer, trainiert für ihr Tanz-Theaterstück „Paris-Tango“. Es ist Sonntag später Nachmittag. Der alte Holzboden knarrt, durch die hohen Fenster dringt diffuses Licht. An den Wänden ringsum stehen ein paar Sessel. Kleidung, Schuhe, Requisiten aller Art liegen verstreut herum. Sieben Tänzerinnen und Tänzer wuseln durch den Raum. Mit klaren, ruhigen Worten erklärt die Choreographin eine Szene. Dann geht die Musik an, das erste Paar fängt an zu tanzen, dann noch eines, das nächste… es herrscht eine ganz eigene Stimmung hier in diesem alten Festsaal, die Musik, das undeutliche leise Stimmengeschwirr, das klock-klock der Schritte am Boden.

Die Tanzpaare bewegen sich geschmeidig, Anastasia Ferrer sieht zu, korrigiert, hilft, zeigt vor, erarbeitet Schrittfolgen mit den Tänzern. Sie ist Profi, das merkt man auf den ersten Blick. Mit dem aktuellen Projekt “Paris-Tango” ist 2014 wieder eine Europa-Tournee geplant. Paris in Vergangenheit und Gegenwart steht im Mittelpunkt des Stücks, zehn Menschen, die sich in Paris treffen, als Gruppe finden, in ihren Schwächen zeigen, ausleben. Es wird Tango getanzt, aber auch moderne Tanzformen dürfen ihren Platz finden.

Tanzen…

Zurück zu unserem Gespräch im Cafe. Was sie als Vorteil am Tanzen sieht? „Am meisten kann man das Leben genießen, wenn Leib und Seele zusammenwirken“, meint sie. Die Seele komme in unserer Zeit meist zu kurz. „Tanzen und Musik aber lösen Empfindung aus, Emotionen können in Bewegung umgesetzt werden“. Wobei der Geist die Schrittfolge vorgibt, der Körper sie ausführt und die Seele sie erlebt. Dadurch wird es ganzheitlich und harmonisierend für den Menschen. „Tanz ist Kommunikation, man trifft Leute, kommuniziert auf einer anderen Ebene“. Akzeptanz sei wichtig und: man lerne Grenzen kennen, eigene wie fremde und könne sich daran üben, diese zu erweitern. Das helfe schließlich auch in der persönlicher Entwicklung.

Während im zeitgenössischen Tanz noch weit mehr Frauen zu finden sind, hat sich das Verhältnis Männer-Frauen im Tango Argentino durchaus angeglichen, findet sie. „Männer wollen sich sensibilisieren im Umgang mit Frauen, wollen neue Qualitäten entwickeln, an ihren Führungsqualitäten arbeiten.“ Auch junge Leute interessieren sich zunehmend für den Tango Argentino. Der Tango sei offener, man müsse sich nicht so festlegen, hat keine fixen Schrittfolgen. Dadurch sind Flexibilität und Individualität gefragt – und auch ein Mehr an Sich-einlassen.

Wie sie sich selbst beschreiben würde, will ich nach vielen Stunden Gespräch wissen: Die Tänzerin überlegt nicht lang: „Ich bin jemand, der nach Perfektion sucht, wohl wissend, dass er sie nie erreichen wird.

Wohl denn, oftmals ist doch der Weg das Ziel.

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