Tango nichts für junge Leute?

von: | aktualisiert am: 5.05.2010

Warum sieht man so wenig junge Leute beim Tango? Das ist eine Frage, mit der wir uns schon eine ganze Weile beschäftigen und wir haben gezögert, damit auch an die Öffentlichkeit zu gehen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir wissen es auch nicht so genau, konnten „die“ Antwort auf diese Frage noch nicht finden. Wir haben so unsere Ideen, Gedanken. Wir würden uns deshalb freuen, wenn wir in eine Diskussion eintreten könnten, uns austauschen, wenn Ihr Eure Meinung dazu schreibt!

Es fällt eben auf, dass junge Leute eher seltener beim Tango tanzen zu sehen sind!

Liegt das am Tango? Liegt das an den jungen Leuten? Liegt das vielleicht an den Tango-Tänzern? Liegt es an den Veranstaltern? Muss man erst ein gewisses Alter erreicht haben, bevor man Tango gut findet?

Tango-Musik

Zugegeben: Tango-Musik gehört nicht eben zum Mainstream. Das wird sich auch nicht ändern und soll hier auch gar nicht Thema sein. Denn die Frage ist nicht, warum aus der Gesamtbevölkerung nur x Prozent Tango tanzen, sondern warum speziell junge Leute so wenig Tango tanzen. Außerdem ist die Musik vor allem ein kultureller Ausdruck einer Gesellschaft. Es nützte also wenig, nur zu bedauern, dass von Musikern nicht genug Tango-Musik gespielt würde oder solche, der nicht „gut“ oder modern genug sei.

Natürlich widmen sich Musiker dieser Musikform nur, wenn Sie damit Ihren Lebensunterhalt verdienen können. Die Idealisten unter den Tango-Musikern mögen mir verzeihen, wenn ich sie hier vernachlässige. Dazu  – zum Geld verdienen – kommen sie nur, wenn sie ausreichend Gelegenheit haben, Ihre Musik zu verkaufen: sei es konzertant, zum Tanz, als Musikproduktion (CD, MP3) oder im Radio. Andererseits kann man es weder Veranstaltern, Programmgestaltern noch Produzenten verübeln, den Tango nicht zu bevorzugen, wenn sie ihrerseits nicht genügend und qualitiativ hochwertige Angebote von den Musiker erhalten.

Beispiele zeigen, dass es geht: z.B. bassa mit ihrer unterschiedliche Kulturen einschließenden Interpretation des Tango. Oder das Gotan-Project (Link zur neuen CD) mit ihrer Electro-Tango-Musik, die international erfolgreich ist. Ihr Titel Santa Maria hat überdies beweisen, dass der Tango im richtigen Umfeld moderner Musik-Rezeption auch Hit-Potential entwickelt. Durch den Film Shall we dance (Darf ich bitten), u.a. mit Jennifer Lopez und Richard Gere hat dieser Titel einen solchen Bekanntheitsgrad erreicht, dass ein guter DJ den im Umfeld junger Leute jederzeit spielen kann – und die (versuchen) danach zu tanzen – was im Übrigen auch für die im gleichen Zusammenhang erschienen Titel der Pussycat Dolls gilt, die teilweise durchaus Ballroom-Format mit modernem Klang-Charakter haben.

Beide Seiten, Musiker und Vermarkter, sollten also ruhig ein wenig mehr Mut haben, sich dem Tango zu widmen. Es kann sich durchaus lohnen! Vielleicht muss man sich dazu von einigen althergebrachten Vorstellungen verabschieden, selbstbewusst neuen neben traditionellen Tango stellen oder nicht erwarten, dass der Tango einen ganzen Abend füllt. Das machen andere Musikformen ja auch nicht oder nur selten.

Liegt es an den jungen Leuten?

Eigentlich verbietet sich diese Frage von selbst. Anderen vorzuwerfen, sich würden sich zu wenig für dies oder jenes interessieren, ist billig und unsere Sache nicht! Natürlich liegt es nicht an den jungen Leuten, dass sie so wenig Tango tanzen!

Wir müssen schon für den Tango werben, ihn interessant machen und die Möglichkeiten aufzeigen, damit junge Leute sich überhaupt dafür begeistern können.

Es gibt einen Film – „Dance – Jeder Traum beginnt mit einem ersten Schritt“ – der zeigt, dass der Tango durchaus eine Faszination auch auf junge Leute ausüben kann, wie das Tanzen ganz allgemein. Wir wollen hier keine Filmkritik – da kann man sicher geteilter Meinung sein. Aber die erste Feststellung bleibt!

Warum ist das dann aber im Tango-Alltag nicht zu beobachten?

Ohne Zugangsmöglichkeiten, ohne Veranstaltungen können sich junge Leute ja nicht für den Tango erwärmen! Die Veranstalter hatten wir vorhin schon kurz mit im Boot. Wir wollen mal noch die Tango-Tänzer hinzu nehmen. Natürlich kann man niemand unter 25 oder 30 übel nehmen, dass er oder sie sich auf Veranstaltungen mit einem Alterdurchschnitt von vielleicht dem Doppelten nicht wohl fühlt. Andererseits kann man Tango-Tänzern nicht ernsthaft vorwerfen, dass sie sich unter Ihresgleichen wohlfühlen, was sowohl die Musik und den Tanz, wie das Alter einbezieht. Man wird diese beiden Gruppen also nicht stets gleichmütig gemeinsam auf Tanzveranstaltungen vereinen können.

Wenn es jedoch keine Angebote für junge Leute gibt, werden die natürlich auch nicht hingehen. Wie denn?

Andererseits: Kann man einem Veranstalter verübeln, dass er sich lieber mit Mainstream die Hütte voll macht, statt mit einem Nischenangebot lange vor halb- oder gar dreiviertel-leerem Haus zu stehen, in der Hoffnung, dass doch irgendwann der große Besucherstrom einsetzt und ihn für seine entbehrungsreiche Zeit belohnt?

Ähnlich ist das bei Tanzschulen. Natürlich könnten gerade Tanzschulen spezielle Angebot für junge Leute machen, die auf diese zugeschnitten sind. Andererseits: Wenn ein Tanzlehrer einen Tango-Kurs für 80 oder 100 € verkaufen kann, warum sollte er das dann für die Hälfte zum Schüler- oder Studententarif tun?

Vielleicht ist heute jung, was früher alt war?

Oder liegt es gar daran, dass sich die Alterstrukturen generell in der Gesellschaft verschieben? Was sind eigentlich „junge Leute“? Vor ein paar Jahrzehnten noch war die Familienplanung und das Kinder-Bekommen mit 30 abgeschlossen. Zur ersten Hoch-Zeit des Tangos hätte man diese Grenze wahrscheinlich noch eher gezogen. Heute beginnt diese Phase häufig erst in diesem Alter. Hat aber Zeit und Gelegenheit zum Tango tanzen, wer mit dem Aufbau eines Hausstandes, mit Kindererziehung und dem beruflichen Fortkommen beschäftigt ist – erst recht, wenn das heute mehr territoriale und temporäre Flexibilität verlangt, als zu einer Zeit, zu der die Mehrzahl der Leute noch in Fabriken oder an Maschinen schuftete?

Aber aufgepasst beim Urteil! Damals waren 8 Stunden Arbeitszeit noch Luxus und ein freier Samstag die Feiertagsausnahme.

Tango – Weltkulturerbe

Oder sollte gar ein Ruf an den Staat ergehen? Schließlich ist Tango Welt-Kulturerbe! An dessen Erhaltung und Verbreitung sollte sich ein Staat beteiligen?

Der ADTV hat den Tango in diesem Jahr zum „Tanz des Jahres“ gemacht. Hat jemand schon was gemerkt davon? Außer einer Presseerklärung?

Also: Egal, welches Thema wir anpacken. die Katze dreht sich im Kreis und jagt nach ihrem eigenen Schwanz.

Ohne Angebote – musikalisch, wie oben beschrieben – oder von anderer Seite wird sich da nicht viel bewegen. In Pforzheim z.B. gibt es ein interessantes Projekt mit Tango für junge Leute. Wir müssen mal fragen, wie die ersten Initiativen angekommen sind.

Und an Euch, liebe Leser, geht die Bitte um Meinungen und Diskussion – und natürlich um Initiative – jeder in seinem Bereich…

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