Bohei um die GOC Stuttgart 2012?

von: | aktualisiert am: 22.08.2012

Stuttgart. Immer wenn Superlative zur Beschreibung eines Ereignisses bemüht werden, wie bei den GOC Stuttgart 2012 wieder, wird Julius vorsichtig und nachdenklich. Wenn dann Angaben widersprüchlich sind oder in den Zusammenhang gebracht widersprüchlich werden, forscht er gern ein wenig nach. So auch bei den GOC Stuttgart 2012.

Die Nachrichtenlage GOC Stuttgart 2012

Da verkündet z.B. der DTV, die German Open Championships 2012 seien das bedeutendste  Tanzturnier der Welt? Die GOC zitieren so DTV-Vize-Präsidentin Heidi Estler in ihrer Pressemeldung am 7. August 2012. Warum sagt man das? Die GOC gehören zur WDSF-Grand-Slam-Serie – neben anderen Städten. Warum sollte eines wichtiger sein, als das andere?

DTV-Pressesprecher Daniel Reichling behauptet gar am 15. August 2012 auf der GOC-Webseite, die GOC seien das weltgrößte Tanzsportturnier. Nun hatte Julius nicht viel Lust zum Recherchieren, weiß aber, dass z.B. die World Dance Olympiade in Moskau über 20.000 Teilnehmer meldete, statt der etwas über 5.000 Meldungen in Stuttgart. Freilich hat dieses Tanzturnier eine etwas andere Ausrichtung, ganz andere Tänze.

Zur Ehrenrettung der GOC sei gesagt, dass sich deren Repräsentanten nicht zu derlei Superlativen versteigen. Das Direktorium berichtet von einem neuen Melderekord und erläutert das ein bisschen – wenn man auch in die Tiefen der Zahlen absteigen muss, will man verstehen.

Ein paar Zahlen der GOC 2012 untersucht

So findet man bald heraus, dass die Zuwachsraten nur aus den Nachwuchsturnieren kamen – bei manchen Verschiebungen zwischen den Erwachsenen-Turnieren – die insgesamt vermutlich sogar einen Rückgang hatten.

Wenn, wie angegeben, der Nachwuchs zu 20% mehr gemeldet hatte (ca. 1800 Starts), sind das 360 Starts mehr als im Vorjahr. Bei 5450 Startmeldungen insgesamt sind 79% Paare tatsächlich gestartet = 4.305 Starts. Das sollen 5% mehr sein als im Vorjahr = 215 Starts mehr.

Wenn der Nachwuchs aber 360 Mehrstarts hatte, das ganze Turnier jedoch nur 215, ist der Erwachsenenbereich um 145 Starts geschrumpft.

Noch etwas deutlicher fällt diese Zahl aus, wenn man bedenkt, dass der Zuwachs bei den Erwachsenen hauptsächlich aus den A-Klassen gekommen sein soll – so der DTV auf seiner Pressekonferenz am 18. August 2012. Die Standard-Meldungen sollen um 20% zurück gegangen sein = 18 Paare, während in der A-Latein 40% mehr Paare gestartet sein sollen = 49 Paare. Macht einen Zuwachs insgesamt hier um 31 Paare.

Also sind die anderen Erwachsenen-Klassen um insgesamt 176 Paare geschrumpft. Das könnte schon ein ganze Menge sein, wenn man die Zahlen jetzt weiter untersuchte.

So sollen ja 40 % mehr Profis gestartet sein (Daniel Reichling am 18.8. auf der DTV-Webseite). Das sind über die 4 Wettbewerbe 39 Paare mehr.

Ergo schrumpften die verbleibenden Erwachsenen-Klassen also um insgesamt 215 Paare.

Der Ordnung halber sei erwähnt, dass die Zahlen etwas differieren können, denn Julius konnte nur nachrechnen, was er fand und hat dabei nicht das Computer-Melde-System zu Hand, sondern musste alle Zahlen „zu Fuß“ ermitteln.

In der Hauptgruppe Latein waren es lt. Ergebnislisten 63 Paare weniger als 2011, das entspricht 8% Rückgang. In der Hauptgruppe Standard waren 27 Paare weniger am Start, das entspricht 9%. Bei den Rising Stars Standard auch 63 Paare weniger, das sind wieder knapp 8 % und im Rising-Stars-Latein-Turnier 40 Paare = knapp 9% weniger.

Über alles sind also in der Hauptgruppe 193 Paare weniger gestartet, als ein Jahr zuvor. Das alles sind Startpaare, Mehrfachstarts also eingeschlossen.

Wie passt das in die überbordenden Erfolgsmeldungen rund um die GOC? Immerhin reden wir hier von den WDSF-Grand-Slam-Turnieren, also den wichtigsten der insgesamt 36 Turniere in Stuttgart!

Nachwuchs-Tänzer bei den GOC Stuttgart 2012

Nun hatten ja die Nachwuchs-Turniere so viel Zulauf und sollen die Nachwuchs-Tänzer so „besonders erfreulich“ erfolgreich gewesen sein, sagt DTV-Präsident Franz Allert in der Pressekonferenz der GOC am 18. August, die auf der Website dort mit „Mehr von allem“ überschrieben ist – was als Motto nicht ganz stimmt, wie wir eben oben gesehen haben.

Von den handgezählten 1783 Starts im Nachwuchsbereich waren geschätzt wieviel aus Deutschland? Preisfrage beim wichtigsten und bedeutendsten DTV-Turnier!

119! Oder ganze 6,7%.  Handgezählt.

Masse ist natürlich nicht alles. Das DTV-Präsidium pries ja die Erfolge. Wieviel deutsche Paare kamen in die Halbfinale?

  • in 9 Turnieren – 0 Paare (Null! Bei 3 oder 4 Turnieren waren gar keine Deutschen erst am Start.)
  • in 4 Turnieren – 1 Paar
  • in einem Turnier – 2 Paare

Macht zusammen 6 Halbfinal-Teilnahmen deutscher Nachwuchstanzpaare in 14 Turnieren (ohne die EM Jugend Latein, weil anderes Meldesystem).

Das ist immerhin und im Duktus des DTV eine Verdopplung! 2011 gab es nur 3 Halbfinal-Beteiligungen deutscher Nachwuchs-Tanzpaare.

Aber, von „viel“ oder „besonders erfolgreich“ hat Julius irgendwie einen anderen Begriff, so erfreulich das aus Sicht der einzelnen Tanzpaare ist.

Schaut man nun noch, wieviele Paare in der ersten Runde ausschieden, bekommt man schlechte Laune. Das ist übrigens auch bei den Erwachsenen so!

Eine letzte Frage sei erlaubt: Woher kommen denn die vielen Nachwuchstanzpaare? Aus den startetenden 54 oder 56 Nationen? Beim Nachwuchs kommen 653 Paare aus Russland, also über 1/3 aller gestarteten Paare. Nichts gegen russische Tanzpaare, im Gegenteil! Herzlich willkommen! Schön, dass es Euch gibt! Aber, sind hier nicht die Verhältnisse für ein DTV-Turnier etwas aus den Fugen geraten, wenn 6 mal mehr Tanzpaare allein aus einem einzigen Land kommen, als deutsche Tanzpaare überhaupt am Start sind?

Fazit GOC Stuttgart 2012

Was bleibt übrig vom Bohei um die GOC 2012?

Ein paar tolle Turnier-Ergebnisse, auch deutscher Tanzpaare  – wie etwa die Turnier-Siege von Tassilo und Sabine Lax bei den Senioren, von Benedetto Ferruggia  und Claudia Köhler bei den „Erwachsenen“ und von Maxim Stepanov – Viktoria Konstantinova im Jugendbereich. Dazu ein paar bemerkenswerte zweite Plätze und weitere Final-Platzierungen (wie berichteten, siehe unser Stichwort GOC Stuttgart).

Auch ist dem Orga-Team in Stuttgart und den vielen ehrenamtlichen Helfern (470?) zu danken, die so ein großes Turnier „wegschleppen“ und überhaupt erst möglich machen!

Beim großen „Rest“ sollte man sich mäßigen in den Äußerungen, bescheidener bleiben. Vor allem sollte man Statistiken nicht so interpretieren, wie es gerade am besten passt (Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast), sondern so, dass die Tatsachen widergegeben werden.

Die GOC Stuttgart bleiben auch dann ein wichtiges Turnier, dem niemand etwas von seiner Wirkung nehmen will. Vielleicht aber schenkt mancher mehr Vertrauen, wenn man die Dinge so anspricht, wie sie sind. Und dann auch breit diskutiert – was war und was sein soll und wie man das erreicht.

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